Montag, 2. September 2013

Wild, Weird North West


Ohje, langer Post. Wir haben viel gemacht und erlebt. Wir waren so gegen 9 mit Jeremiah verabredet, weshalb wir uns früh aus dem Zelt schälen, den Rubbel packen und eine gute Stunde nach Portland kullern. Kaum angekommen, lese ich, dass Jeremiah noch mit schlimmem Kopfaua im Bett liegt und wir so gegen 10 auftauchen sollen. Kurz gelacht und ins nahegelegene (per Google Maps gefundene) Open Space Café gelaufen. Erste Portlander Eindrücke sind sehr gesundes Essen auf der Angebotstafel, hip gekleidete junge (und ältere) Menschen und unglaublich viele, witzige Anzeigen am schwarzen Brett des Cafés. Man kann sich über Arbeiteraufstände informieren, seine Hunde ausführen und pflegen lassen und es gibt diverse Geistheiler und Medien. Klasse, der Espresso schmeckt auch. Dann so gegen 10 zurück, von Julie, einer der beiden Mitbewohnerinnen, vor der Tür gesichtet und reingelassen worden und schon stehen wir im Wohnzimmer, wo Sebastian gerade den Kopf aus dem Kissen nimmt; ein Schwede der seit Jahren in Berlin wohnt. Jeremiah steht auch bald im Raume, hat trotz Kopps ziemlich gute Laune und nach kurzer Zeit erscheinen aus dem Nebenzimmer noch Colin, der Cousin Jeremiahs, und Asrai, ein junges Mädchen, dass hier für eine Nacht Unterschlupf fand. Volle Bude also, auch wenn sich Julie gleich darauf mit Katze und Wein für 10 Tage verabschiedet. Nach kurzem Rumgegammel und Kennenlernen geht's für alle zum Jam on Hawthorne, einem Frühstücksladen, der uns durch eine riesige Auswahl vegetarischen Krams begeistert. Während des Mampfens (und Wartens auf Jeremiahs und Tines Essen, was aufgrund der 10-minütigen Verspätung sofort von der Rechnung genommen wird) entscheiden wir am Nachmittag Disc Golf (quasi Golf mit Wurfscheiben) zu spielen, was ich schon immer mal probieren wollte. Also dann quer durch die ganze Stadt erst zu einem Sportoutfitter, wo wir uns 2 Medium Range Frisbees kaufen, um nicht ein gesamtes Set aus Distance Driver und Putter erstehen zu müssen und dann weiter zum Course, der wie ein guter Golfplatz aus 18 "Löchern" besteht. Wir haben natürlich vorher eine Riesenladung Bier gekauft, damit niemand beim Werfen Durst leiden muss. Ich schlage mich trotz meiner jugendlichen Steinewerferfahrung (auf die anderen Kinder, nicht die Polizei) ziemlich bescheiden und hänge bald hinter den Jungs und nur etwas später auch hinter den beiden Mädchen zurück. Ist nicht schlimm, alle haben Spaß, lachen, quatschen und quackern sich Bier in den Kopf. Nach einer längeren Pause werden die letzten Körbe im Halbdunkel geworfen und ich stelle fest, dass ich mit geborgtem Distance Driver und Putter doch super zurechtkomme. Naja, nächstes Mal ziehe ich alle ab. Nach dem Abschlußkorb fahren wir alle mit unserer Karre in die Stadt, suchen Jeremiahs Wagen (Colin musste früher weg, um den Bus nach Seattle zu bekommen), finden diesen, fahren nach Hause, bestellen Pizza, trinken Bier und spielen das sehr witzige Cards against Humanity. Die Wummejungs hatten damals so was ähnliches und wir sind öfter schlimm angeeckt, wenn wir es in der Öffentlichkeit gespielt haben. Diesmal ist alles gut und nach viel herzlichem Lachen verschwinden wir im Bett und Jeremiah zu Jayna, seiner Freundin. Am nächsten Morgen begeistert Tine alle mit Pancakes, danach helfen wir Sebastian (der Jeremiah fast jedes Jahr in Portland besucht) den Whirlpool zu säubern, während Asrai das Unkraut aus dem Garten zerrt und sitzen danach in der Sonne im Garten und quatschen. Asrai muss los, denn sie hat ein Vorstellungsgespräch in einem "Tanzladen". Damit uns nicht langweilig wird, schnappen wir uns ein paar Pils, die Kühlbox und Frisbees und machen uns aufs nahegelege Footballfield zum Scheibenwerfen, bevor uns Jeremiah abholt und zu einem der angesagtesten Tacoläden der Stadt fährt. Dort essen wir mit Jayna, ihrer Mum, Sebastian und Jeremiah leckere mexikanische Speisen und quatschen. Danach kaufen Jeremiah und Seb Schnaps im Laden gegenüber, der soll als Wegzehrung für die morgige Fahrt zum Ozzy-Konzert dienen, allerdings wird er sofort geöffnet und muss für einige "Road sodas" herhalten. Spitze, ich hab noch in keiner amerikanischen Stadt mehr "in public" Alkohol getrunken als in Portland. Der Nordwesten ist halt anders. Gut, wir halten vor einer Bar, trinken Bier, hören den teils afrikanischen, teils südamerikanischen Rhythmen der Band zu und begeben uns in die nächste Bar. Danach dann nach Hause, um in größerer Gruppe Cards against Humanity zu spielen. Am nächsten Morgen müssen wir uns leider schon verabschieden (die Jungs fahren auch gleich nach Washington um Ozzy bzw. Black Sabbath zu sehen) und bekommen noch ein paar Tipps für die heute endlich stattfindende (sehr kurze) Sightseeingtour. Wir düsen also den Tabor Hill hoch, bestaunen die schöne Aussicht auf die Stadt und die im Osten liegenden Berge, wandern ein bisschen und fahren dann zum White Owl Social Club, denn hier soll es den besten Beteburger (wie rote Bete ;) ) der Welt geben. Gesagt, getan, stehen wir kurze Zeit später vorm Club und sind ganz traurig, denn heute ist Lagerfest (ihr wißt schon, wie das Bier) und es gibt keinen Burger. Schlimm enttäuscht, denn wir können ja nicht mal beim Bierfest teilnehmen, weil wir weitermüssen, verlassen wir das Gelände und sitzen kurz darauf im Auto Richtung Südwesten. Tinchen möchte hier noch die 3-Kaps Tour machen, denn diese soll einer der schönsten Abschnitte der nördlichen Pazifikküste sein. Wir werden nicht enttäuscht, denn die Küste begeistert durch raue Felsformationen, herrliche Aussichten auf den Pazifik und tiefe Wälder am Ufer. Die Suche nach einem Zeltplatz allerdings ist weitaus unangenehmer, denn es ist Wochenende und immer noch Ferienzeit. Am Ende finden wir trotzdem einen relativ schönen Wohnmobilpark in Tillamook und verschwinden nach dem Abendbrot fix im Zelt. Am Morgen fahren wir den Rest der Strecke ab und empfinden diese als noch schöner als die gestrige. Wir beobachten Vögel, betrachten die steilen Klippen und besuchen den Octopustree am Kap Meares bevor wir in Astoria über eine riesige Brücke fahren und damit Oregon Richtung Washington verlassen. Gleich fällt auf, dass der Sprit hier nochmal günstiger ist (3,23 pro Gallone!!) und man die Karre endlich wieder selber betanken darf (was in Oregon komischerweise illegal war). Wir zelten heute Abend bei Castle Rock, in der Nähe des Mount St. Helens, denn den wollte ich schon immer mal sehen, seitdem ich vor 20 Jahren einen Film über dessen Ausbruch 1980 gesehen hatte. Also am nächsten Morgen schnell das Zelt in der Sonne getrocknet und dann gen amerikanischen Mount Doom gefahren. Auf dem Weg über immer größer werdende Hügel und durch tiefen Wald, hoffe ich inständig der Berg sei größer als man ihn auf Landkarten wahrnimmt. Meine Erwartungen werden mehr als übertroffen, als wir uns von Lookout zu Lookout immer weiter nähern. Die Zerstörung, die die Explosion vor 32 Jahren anrichtete ist immer gut zu sehen; weite Teile des Waldes in der Blastzone sind noch sehr jung (und damit klein) und in der Ferne wächst der Berg mit dem Riesenloch (denn er hat sich 400 Meter kleiner gesprengt). Mit offenem Mund stehe ich an den letzten Aussichtspunkten und versuche mir klarzumachen, wie diese Explosion mit der 1600(!!!)-fachen Stärke der Hiroshimabombe ausgesehen haben muss. Es ist unglaublich. Die 400 Meter Höhenverlust beziehen sich natürlich nur auf die allgemeine Höhe des Berges, das riesige Loch allerdings muss dazugerechnet werden, welches selber locker noch einmal einen halben Kilometer tief im Berg klafft. Krass, krass, krass. Den Kopf immer wieder gen Berg verrenkend verlassen wir die Gegend, denn wir müssen heute noch bis Seattle fahren. Wir hatten ja in Portland Colin, den Cousin Jeremiahs, kennengelernt und der hatte uns angeboten, in Seattle bei ihm zu übernachten! So cool! Also nach etwas Gegurke durch die Stadt an Colins Haus gelandet, ganz lieb in Empfang genommen worden und fast direkt in die Stadt zur Showbox at the Market, wo heute Pinback, eine der Lieblingstruppen Colins spielen. Für Tinchen geht hier und heute ein Traum in Erfüllung, denn sie wollte schon immer mal nach Seattle und am Besten noch auf ein Konzert gehen. Wir arbeiten hier im Nordwesten der Staaten schön so einige im Leben erträumte Sachen ab. Nach dem Konzert gibt es, nach guter Seattler Tradition Hot Dogs (Vegi für uns) und einen Nachtausklangstrunk (PBR+Whiskey für 'nen Fünfer!) bevor wir im neuen, temporären Zuhause ins Bett fallen. Colin hatte versprochen uns Seattle zu zeigen und da er auch gern läuft (der Nordwesten ist wirklich anders), spazieren wir am nächsten Tag erst durch Downtown, dann zum Markt, zum Waterfront Park (wo ein Typ eine Schlange dabei hat, die versucht, sich eine Taube zu schnappen), Belltown, danach an der Space Needle vorbei durch Queen Anne zu einer Klasseaussicht über die Stadt und am Lake Union entlang zur Washington University (so klassisch aussehende Universitätsgebäude machen mich immer neidisch), weiter über einen Bretterweg über Foster Island und das sehr schöne Arboretum zurück zur Madison Street, wo wir nach circa 9 Stunden und 25 Kilometern (!!!) schlimm hungrig einkaufen. Zuhause gibt es die vielgerühmte Exnersche Erbsensuppe, ein paar Bier und dann liegen wir kaputt im Bett. Da Colins Wochenende immer Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ist, hat er auch am nächsten Tag Zeit und so fahren wir mit dem Bus an den Lake Washington, bestaunen einige der riesigen Anwesen, baden und fahren am späten Nachmittag zu einem der Lieblingsplätze Colins, den Carkeek Park. Der liegt direkt am Pugent Sound und hier sitzen wir zum Sonnenuntergang auf Treibholz, beobachten Robben, Fische und das Farbenspiel der Sonne zwischen den Bergen der gegenüberliegenden Olympia Halbinsel. Wunderschön. Allerdings hat Colin seit Mittag immer schlimmer werdende Zahnschmerzen, weshalb ich ihn am nächsten Tag zum Zahnarzt statt uns in die nördlichen Cascades fahre. Ist nicht schimm, so kommen wir zu einem herrlich faulen Ausruhtag und es bleibt noch etwas für den nächsten Besuch über. Am Freitag muss Colin wieder arbeiten und so machen wir uns auch vom Acker; Kanada und Vancouver rufen. Wir überqueren seit Jahren mal wieder eine Landgrenze mit Grenzbeamten; unsere kanadische schaut mürrisch drein, fragt streng, welche Städte wir besuchen wollen und schon sind wir im Land der Biber (haha) und des Eishockeys. Die Fahrt nach Vancouver ist nicht weit, der Zeltplatz im Norden der Stadt ordentlich teuer, aber dafür sind wir flux mit dem Bus in der Stadt. Wir haben noch kein Münzgeld, was uns, Dank eines sehr netten Busfahrers, eine Freifahrt nach Downtown beschert. Supi. Wir laufen durch die Georgia Street, biegen in die Burrard Street ab, betrachten ein riesiges niederländisches Kreuzfahrtschiff am Kai und setzen unsere Tour inmitten von, aus diesem herauswallenden Tourimassen fort. Allerdings läuft es wie immer: kaum laufen wir in der Water Street nicht dem Wegweiser nach Chinatown hinterher sind wir wieder "allein" auf den Straßen. Nach Hinweisen eines lokalen Baristas laufen wir durch ein kleines Industriegebiet weiter Richtung Osten, um den Commercial Drive anzuschauen. Das ist das alte Little Italy und heutzutage eine Alternativmeile und beim Herunterlaufen sehen wir überall kleine Cafés, Bars, vegane Bäckereien und Kunstlädchen. Nach etwas Spazieren kauft sich Monster Backwerk und wir laufen wieder zurück Richtung Downtown. Wir kommen am Jimi Hendrix Schrein vorbei, latschen durch Chinatown und dann die East Hastings Street runter. Hier gibt es einige der heruntergekommensten Etablissements der Stadt, unzählige alte Prostituierte, Suffköppe und Pubs, die ich selbst mit einem Dutzend hartgesottener Schläger im Rücken nicht betreten würde (Späßchen. Klar würde ich reingehen). Kaum einen Block weiter dann wieder Edelrestaurants und Boutiquen. Schon komisch, die beiden Enden der Gesellschaft so nah beisammen zu sehen. Aber unterhaltsam. Statt Bier und Bar entscheiden wir uns nun für den verlängerten Nachhauseweg entlang des Wasserflugzeugflughafens (heißt das so?), der Marina, des Ruderclubs und um den gesamten Stanley Park herum. Dauert lange, ist aber jede Minute wert, denn die untergehende Sonne beleuchtet die Stadt prächtig und das Licht spielt in den Glasfassaden. Wir krauchen hoch zum Prospect Point Ausblick, bewundern erst die Lions Gate Bridge und laufen dann Richtung Zeltplatz darüber. Im Gegensatz zur Golden Gate Bridge ist diese immer offen und ein nur Notdiensttelefon soll Selbstmörder abhalten, sich in die gut 60 Meter tiefer gelegenen Fluten zu stürzen. Wir hingegen stürzen in den Supermarkt und vergebens zum Schnapsladen, denn der macht UNglaublich pünktlich zu. Auch gut, so sind wir für die knapp 900 Kilometer nach Banff gerüstet. Dort treffen wir Germain, den wir vor 2 Jahren von Chicago nach Minnesota mitgenommen hatten. Große Freude!


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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