Mittwoch, 25. September 2013

Up North and Down South

Meine Herren, lange nichts hochgeladen und trotzdem ein recht kurzer Post. Wir verlassen also unseren letzten Campingplatz, düsen die knapp 250 Kilometer nach Süden und eiern kurz in St. Cloud rum bevor wir Ricks Arbeitsstelle finden und ihn überraschen. Für alle, die die Story noch nicht kennen: Tine hatte Rick vor 12 Jahren über einen Schüleraustausch kennengelernt und wir versuchen uns regelmäßig, gegenseitig über den Atlantik zu besuchen. Nach großem Hallo und einer Kippe hinter der Werkstatt bekommen wir seinen Wohnungsschlüssel und düsen am Coborn's Supermarkt vorbei zu ihm nach Hause. Wir holen das letzte Mal unseren Kram aus dem Kofferraum und beziehen unsere Bleibe für die nächsten 11 Tage. Nach Feierabend machen wir nicht viel, außer lange zu quatschen und (sehr leckeres) Nordeast (sic) zu trinken. Um Kohle zu sparen, hatten wir die Karre nur bis zum folgenden Tag gemietet und so rollen wir am nächsten Mittag gen Minneapolis um unser treues Gefährt abzugeben. Auf dem Weg knacken wir noch schnell die 10.000 Kilometer-Marke in Nordamerika und stellen das Fahrzeug, trotz der kleinen Schramme ohne Probleme, am Flughafen ab. Hurra. Die folgenden Tage sind wohl die entspanntesten unseres gesamten Trips; am Freitag gibt es eine kleine Party mit Fish Fry für die Eingeborenen und Kartoffelsalat für uns und Garagentrinken bei den Hoihjelles, Ricks Freunden in Melrose; tags darauf Muskyfishing auf dem Lake Miltona (einer der Riesenfische folgt meinem Köder aber niemand außer Mitch fängt etwas); viel Spielen und Rumhängen mit Andi, Ricks Tochter, die auch wenn sie noch nicht viel sprechen kann schon (dank Rick) Meister im Headbanging ist; später dann Crappyfishing mit Jerry, einem Freund Ricks (Tine und Rick fangen Fische, die zu Tines Freude wieder in die Freiheit entlassen werden, während ich wiedermal erfolglos bleibe). An den Abenden wird viel gekocht, gequatscht und sich mit Family Guy und diversen Bieren bespaßt. Wir haben uns sehr auf diese Zeit gefreut, denn auch wenn das Rumreisen und jeden Abend woanders schlafen aufregend und immer neu ist, schlaucht es doch nach vielen Monaten etwas. Dieser Aspekt des Reisens; das Kennenlernen des Alltages von Freunden und Leuten in verschiedenen Ländern der Welt; gefällt mir fast besser als das bloße Abreißen und Anschauen von Sehenswürdigkeit nach Sehenswürdigkeit. Ich empfehle jedem, lieber weniger zu sehen und dafür mehr zu erleben, wenn er die Möglichkeit hat. Am letzten Donnerstag geht es nochmal zu Mitch und Alyson (die Hoihjelles) nach Melrose, es wird viel Bier (das erste Mal Keystone Light; geht, wenn's eiskalt ist und nüscht anderes da ist) getrunken und währenddessen mit dem Luftgewehr auf die Garagentür und geleerte Bierdosen geballert. Hier zeigt Tine, trotz anfänglicher Skepsis, ungeahnte Fähigkeiten und ballert die Dosen vom Draht wie ein junger John Wayne (hat aber im Gegensatz zu ihm nichts gegen die Ureinwohner des Kontinents). Am Freitagmorgen versuchen wir das letzte Mal unser Glück auf dem See. Ricky verpasst den größten Fisch seines Lebens ("That's a big fucking fish!") nur um Haaresbreite und auf der Rückfahrt wächst das lebende U-Boot in den Beschreibungen ins Unermessliche. Am Abend verabschieden wir uns von allen, denn unser letzter Tag (Samstag) führt uns noch in die Mall of America und zu Becky unten in Minneapolis. Wir hatten das letzte Mal Hairball verpasst, da diese ihre Show wegen strömenden Regens abgesagt hatten, doch diesmal spielen sie im Zelt und haben keine Ausrede. Wir (vielmehr ich) quackern uns also Miller High Life (Pferdeurin) und Miller Lite (verdünnter Pferdeurin) rein, während wir eine der witzigsten Covershows aller Zeiten sehen. Hairball covern fast ausschließlich 80er Hairmetal und haben mehrere Sänger, die dann jeweils im passenden Outfit (incl. Perücke) und Originalmoves der Sänger auf der Bühne stehen und ihre Gesänge perfekt draufhaben. Wir sehen nacheinander Ozzy, Poison, Prince (passt nicht ganz, ist aber aus Minnesota), Queen, AC/DC, Van Halen, Whitesnake und zum Schluß endlich Guns 'n Roses auf der Bühne. Die Kombination aus plärrigem Bier und Paradise City versüßt uns den Abschied von Konzert und Minnesota und kaum lagen wir im Bett, klingelt früh halb 5 der Wecker. Rick fährt uns zum Flughafen und wir verabschieden uns ein wenig traurig, war doch die Zeit in Minnesota eine der schönsten hier in Nordamerika und fühlte sich, Dank des Besuches vor 2 Jahren, fast wie eine Heimat an. Nach kurzer Zwischenlandung und Imbiss in Atlanta sind wir schon wenige Stunden später in Jacksonville, Florida, wo uns Anna, eine Erfurter Freundin, die jetzt mit Kind und Kegel in Georgia wohnt, erwartet. Wir fahren über die Staatengrenze (nicht ohne vorher Bier gekauft zu haben, denn das gibt es in Georgia sonntags nicht im Supermarkt), freuen uns halbwegs über die schwüle Hitze und sind am späten Nachmittag am Haus der kleinen Familie. Es wird etwas gequatscht und gegrillt und wir liegen dank der kurzen letzten Nacht früh im Bett. Am Montag dann schauen wir uns die, im Gegensatz zu Minnesota, geradezu uralte Innenstadt Savannahs an, kaufen Bier im Beer Growler (60 Craft Biere vom Fass direkt in die Riesenflasche) und ich angle später (wieder erfolglos, was nicht schlimm ist, gell ;) ) mit Bryant im Teich hinter dem Haus bevor es in die Heia geht. Der Dienstag ist mein Geburtstag und ich verbringe den Vormittag dank gebührender Beliebtheit im Netz um Glückwünsche und Lobeshymnen zu beantworten. Danach fahren wir nach Tybee Island, ich schwimme das erste Mal auf der Westseite des (hier sonnig warmen, aber stürmischen) Atlantiks und bekomme, ebenfalls zum ersten Mal, eine der ältesten lebenden Tierarten (400 Millionen Jahre!), einen Pfeilschwanzkrebs zu Gesicht. Beeindruckend. Bevor es zum Abendessen nach Downtown Savannah geht, halten Bryant und ich noch schnell am Schießstand und ballern mit seiner Glock männermäßig eine Stunde lang die Bahn runter. Ich hab das vor über 15 Jahren bei der Army mal gemacht und bin auch heute nicht der große Fan. Naja, andere Länder, andere Sitten und man sammelt ja Erfahrungen. Vorm Insbettgehen bekomme ich noch ein weiteres Pils und den am Vormittag gebackenen Schokokuchen. Heute geht dann außer Blogschreiben nicht viel, während morgen gepackt wird. Dies ist wohl der letzte Post von unterwegs, aber geplant sind noch Highlight-, Routen-, Rezept- und natürlich Panoramaposts für alle besuchten Länder. Ich kann mit Gewissheit sagen, dass die letzten 6 Monate einige der schönsten meines Lebens waren und ich/wir hoffentlich lange von den Erlebnissen und damit verbundenen Erinnerungen zehren können, auch wenn der Gedanke an das eigene Bett und Freunde daheim auch gerade ziemlich verlockend ist. Am Samstag sind wir dann wahrscheinlich wieder im guten, kalten Europa und wundern uns, wie eine solch lange Zeit so schnell vergehen konnte.

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